Ablehnung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen auf Bundesebene, 1. Februar 1959

"Der freie Volksstaat schweizerischer Prägung beruht [...] auf dem Vertrauen darauf, dass immer genug Menschen sind, welche mit ihrer Einsicht, mit ihrem Verantwortungsgefühl, mit ihrem Sinn für Gemeinschaft den freien Volksstaat zu tragen und zu gestalten vermögen. Woher nehmen wir das Recht, unsere schweizerischen Frauen ganz allgemein gering zu schätzen, Frauen diese Einsicht, dieses Verantwortungsgefühl, dieses Verständnis für die Anforderungen der menschlichen Gemeinschaft abzusprechen, ihnen das Recht vorzuenthalten, aktiv [...] an der Gestaltung unserer freien staatlichen Gemeinschaft mitzuwirken?"

Diese Ansicht von Bundesrat Markus Feldmann, Chef des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements 1952-1958 und engagierter Befürworter des Frauenstimm- und -wahlrechts, teilte damals nach wie vor nur eine Minderheit. Die bereits seit Jahrzehnten geführte Debatte intensivierte sich, als 1952 Albert Picot, Genfer Regierungs- und Ständerat, vom Bundesrat einen Bericht zum „Problem der politischen Rechte der Schweizerfrau" und der Zürcher Nationalrat Alois Grendelmeier eine Abstimmung über die Frage verlangten. Während Befürworterinnen und Befürworter Gerechtigkeit und Rechtsgleichheit einforderten, befürchteten die Gegnerinnen und Gegner u. a. negative Auswirkungen auf die „frauliche und mütterliche Wesensart".

In seiner 136seitigen Botschaft an die Bundesversammlung über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts vom 22. Februar 1957 legte der Bundesrat die verschiedenen Argumente ausführlich dar und kam zum Schluss, dass den Frauen in eidgenössischen Angelegenheiten das Stimm- und Wahlrecht ohne Vorbehalt einzuräumen sei. Um dieses Ziel zu erreichen, empfahl er eine Revision von 16 Artikeln der Bundesverfassung. Die Vorlage wurde in der Folge sowohl vom Stände- als auch vom Nationalrat gutgeheissen: Der Weg für die erste Abstimmung über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts auf Bundesebene war frei.

Am 1. Februar 1959 lehnten die (männlichen) Stimmberechtigten jedoch den Bundesbeschluss vom 13. Juni 1958 über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten mit 645'939 zu 323'727 Stimmen ab. Von den Kantonen stimmten lediglich Waadt, Neuenburg und Genf dafür.

Die ausgewählten Dokumente sind frei zugänglich und können in den Lesesälen des Bundesarchivs auch im Original eingesehen werden. Die oben zitierten Berichte und Beschlüssen sind auch abrufbar unter:

Dokumente

(1) Notiz Bundesrat Markus Feldmann, undatiert, in: J. I. 3 1000/1402, Dossier 647, Band 62.

(2) Auszug aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten, 22. Februar 1957, in: E 4001 (D) 1973/125, Az. 62, Frauenstimmrecht, 1951-1959, Band 70.

(3) Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau an den Schweizer Bundesrat, 5. September 1958, in: E 4001 (D) 1973/125, Az. 62, Frauenstimmrecht, 1951-1959, Band 70.

(4) Schreiben von Bundesrat Markus Feldmann an die Präsidentin des Bundes Schweizerischer Frauenvereine, 24. Juli 1957, in: E 4001 (D) 1973/125, Az. 62, Frauenstimmrecht, 1951-1959, Band 70.

(5) Schreiben der Präsidentin des Bundes Schweizerischer Frauenvereine an Bundesrat Markus Feldmann, 29. Juli 1957, in: E 4001 (D) 1973/125, Az. 62, Frauenstimmrecht, 1951-1959, Band 70.

(6) Protokoll über die Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission zur Beratung der Botschaft des Bundesrates über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten, 4. und 5. November 1957, in: E 4001 (D) 1973/125, Az. 62, Frauenstimmrecht, 1951-1959, Band 70.

(7) Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 1. Februar 1959 betreffend Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechtes in eidgenössischen Angelegenheiten, 28. Februar 1959, in: E 1070 1974/32, Dossier 7792, 1959, Band 40.

(8) Votations masculines sur l'introduction du suffrage féminin, 1er janvier 1969, in: E 1010 (B) 1968/151, Az. 361.03, Frauenstimmrecht 1957-71, volume 146.

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