Volksaufstand in Tibet, 10. März 1959

„[Wir sind] der Auffassung, dass dem Begehren um Aufnahme von 1000 tibetanischen Flüchtlingen in der Schweiz im Sinne unserer Tradition in humanitären Belangen entsprochen werden sollte." Mit diesem Antrag von Ludwig von Moos, Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), an den Schweizer Bundesrat wurde am 9. März 1963 gleichsam offiziell, was im März 1959 seinen Anfang genommen hatte - die schweizerische Solidarität mit Tibet, respektive den tibetischen Flüchtlingen:

Im Sommer 1950 waren chinesische Militärs in Tibet einmarschiert. Die chinesische Politik der forcierten Eingliederung stiess im kulturell eigenständigen Hochland am Himalaya auf immer mehr Widerstand: Er erreichte am 10. März 1959 in Lhasa einen Höhepunkt und wurde in den folgenden Tagen mit Waffengewalt niedergeschlagen. In den nächsten Wochen und Monaten flüchteten insgesamt 80'000 Tibeterinnen und Tibeter - so die Schätzung der tibetischen Exilregierung - nach Indien, Nepal, Sikkim oder Bhutan. Der 24-jährige Dalai Lama, spirituelles Oberhaupt und - für viele Tibeter - politischer Führer Tibets, floh am 17. März aus Lhasa und erreichte am 31. März Indien.

In Nepal koordinierte der Schweizer Toni Hagen im Auftrag des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) die Nothilfe für die tibetischen Flüchtlinge. Er setzte sich, unterstützt vom nepalischen Aussenministerium und vom Dalai Lama, erfolgreich für die Aufnahme tibetischer Flüchtlinge in der Schweiz ein.

Im Oktober 1960 erreichten die ersten Flüchtlinge die Schweiz: 20 Kinder fanden im Pestalozzidorf im appenzellischen Trogen Aufnahme, wogegen die chinesische Seite protestierte - der chinesische Botschaftsrat sprach von „einer gewollten politischen Aktion gegen China". Dennoch führte die Schweiz die Aktion weiter: 1964 wohnten insgesamt 34 Tibeterkinder mit 8 Betreuern in Trogen.

Medienberichte über einen Tibeterknaben, der privat von einer Oltener Familie aufgenommen wurde, lösten eine Welle von Interessenbekundungen aus. Die private Initiative erreichte von den Schweizer Behörden eine pauschale Einreisebewilligung, worauf zwischen August 1961 und März 1964 insgesamt 158 tibetische Pflegekinder in Schweizer Familien aufgenommen wurden.

In den folgenden Jahren gelangten weitere tibetische Flüchtlinge in die Schweiz; sie bilden heute mit rund 3'000 Personen die zweitgrösste tibetische Gemeinschaft ausserhalb Asiens.

Die ausgewählten Dokumente entstammen Dossiers, die frei zugänglich sind und in den Lesesälen des Schweizerischen Bundesarchivs auch im Original eingesehen werden können.

Dokumente

(1) Lettre politique confidentielle, Les événements au Tibet vus de Pékin, 3 avril 1959
in: E 2300, 1000/716, Az. p.A.21.31, Peking, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, 1959, Band 359.

(2) Politischer Brief, Tibetanische Flüchtlinge, 28. April 1959
in: E 2300, 1000/716, Az. p.A.21.31, New Delhi, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, 1959, Band 302.

(3) Aktennotiz zum Besuch von Ya-Li Lai, chinesischer Botschaftsrat, 13. Mai 1960
in: E 2001 (E), 1976/17, Az. B.41.21, Politische Flüchtlinge in der Schweiz, 1959-1961, Band 95.

(4) Schreiben von Toni Hagen, Delegierter des IKRK in Nepal an August Lindt, Schweizer Botschafter in Washington, 14. Februar 1961
in: E 2200.64, 1983/69, Az. A.66.9, Réfugiés tibétains au Népal, 1960-1964, Band 4.

(5) Schreiben von Elmar Mäder, Direktor der Eidgenössischen Fremdenpolizei an Charles Aeschimann, 13. Oktober 1961
in: E 4280 (A), 1998/296, Az. 777.14/19, Tibetanische Flüchtlinge, 1961-1971, Band 464.

(6) Vertrauliches Schreiben von Jacques-Albert Cuttat, Schweizer Botschafter in New Delhi an die Abteilung für Internationale Organisationen des Eidgenössischen Politischen Departements, 13. Februar 1963
in: E 4280 (A), 1998/296, Az. 777.14/19, Tibetanische Flüchtlinge, 1961-1971, Band 464.

(7) Beschlussprotokoll des Schweizerischen Bundesrats betreffend Aufnahme von tibetanischen Flüchtlingen, 29. März 1963
in: E 1004.1, 1000/9, Beschlussprotokolle des Bundesrats, März 1963, Band 671.2.

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