Wenn sich ein Exekutivmitglied Gedanken zur AHV macht, folgen die Kommentare an prominenter Stelle. Das „Herzstück der Sozialwerke", so die Umschreibung des Bundesamtes für Sozialversicherung, verkörpert für viele den gesellschaftlichen Zusammenhalt schlechthin. Düstere Aussichten - Stichwort demographischer Wandel - provozieren Auseinandersetzungen. Ein Grund, zurück in die Anfänge der AHV zu blenden und die Zukunftsvorstellungen von damals anzuschauen.
1942 fordert eine Volksinitiative, die Ausgleichskassen für Lohn- und Verdienstausfall nach dem Aktivdienst in eine AHV umzuwandeln. Standesinitiativen von Genf, Neuenburg, Bern und Aargau deponieren ähnliche Anliegen. Der Bundesrat beauftragt deshalb das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) abzuklären „ob und gegebenenfalls in welcher Form, eine neue eidgenössische Vorlage inbezug auf die Alters- und Hinterlassenenversicherung möglich erscheint".Das EVD setzt am 11. Mai 1944 eine 16-köpfige Expertenkommission ein, die sich - unterstützt durch Fachleute aus der Verwaltung - des Geschäfts annimmt: Diskutiert werden unter dem Motto „Von der Altersfürsorge zur Altersversicherung" neben versicherungstechnischen und finanziellen auch grundsätzliche Fragen.
Der Blick in die Zukunft
Die Experten votieren für ein „allgemeines Volksobligatorium" mit einem „einheitlichen Versicherungsgesetz für alle Volksgruppen" - so Arnold Saxer, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BAS). Besonderes Augenmerk legen sie auf das Problem der „Vergreisung des Schweizervolks".Sie prognostizieren, dass die Zahl der Rentenbezüger innerhalb von 30 Jahren um 50% steigt. Im Bericht vom 28. März 1945, Grundlage für eine Vernehmlassung, führen sie die Berechnungen bis 2028 aus und stellen 321‘861 Altersrentnern für das Jahr 1948 die Zahl von 595‘628 für 2008 entgegen. 2008 werden tatsächlich 1‘868‘973 Hauptrenten bezogen.
Eine grosse Mehrheit für die AHV
Der Bericht kommt gut an: 50 von 59 Vernehmlassungen fallen positiv aus, 4 Kantone verzichten auf eine Stellungnahme. Die anschliessenden parlamentarischen Debatten um den Gesetzesentwurf vom 24. Mai 1946 zeigen ebenfalls eine breite Zustimmung. Der erfolgreiche Abschluss des Geschäfts folgt am 6. Juli 1947: Das Bundesgesetz über die AHV wird mit 862‘036 zu 215‘496 Stimmen angenommen, von den Ständen lehnt nur Obwalden ab.
Der Start zu einer neuen Diskussion
Parallel zum Abschluss des Geschäfts widmet sich das BAS der Finanzierung der neuen Versicherung. Es geht um die Berechnung statistischer Grundlagen, konkret um „eheliche Standardfruchtbarkeit", „Muttereinheiten" oder um das "plausible Absterbeschema" - so ein paar Begriffe aus einem Bericht der Sektion Mathematik und Statistik. Davon ausgehend, dass die „Überalterung der Bevölkerung" in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird, berechnen die Mathematiker für 1978 eine Bevölkerungszunahme der über 65-Jährigen von 67%. Die Diskussion um die künftigen demographischen Entwicklungen wird bis heute geführt. Allerdings mit einem Unterschied. Während das Berechnen der Zukunft in den 1940er Jahren Sache der Experten war, können heute alle auf der Website des Bundesamtes für Statistik unter pxweb.bfs.admin.ch einen eigenen Blick in die Zukunft riskieren. Ob allerdings die heutigen Prognosen treffsicherer als diejenigen von damals sind, wird sich erst in Zukunft zeigen.
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