Eröffnung des Eidgenössischen Statistischen Büros, 1. Juni 1860

«Wie aus dieser Vorlage erhellt, scheiterten alle bisherigen Versuche der Bearbeitung einer eigentlichen schweizerischen Nationalstatistik, weil, Franscinis Werke ausgenommen, nicht nach einem einheitlichen Plane vorgegangen wurde; und diese leztern können auch nicht als offizielle Arbeiten aufgefasst werden, wenn ihnen schon grösstentheils amtliche Mittheilungen zu Grunde liegen, indem diese Angaben einentheils nicht alle von ein und demselben Zeitraum herrühren [...], anderntheils, weil auch die amtlichen Mittheilung bei den damaligen Einrichtungen theilweise nur oberflächlich erhoben wurden, oder erhoben werden konnten, da die hiezu erforderlichen Einrichtungen fehlten.»

Denn, so der Schweizerische Bundesrat in seiner «Botschaft betreffend die Errichtung eines national-statistischen Büreaus» vom 9. Januar 1860 weiter, «der Bund allein ist im Stande, für eine gute Nationalstatistik zu sorgen, da er allein eine Übereinstimmung aller Kantone auf diesem Gebiete herbeiführen und als die Zusammenfassung ihrer Bestrebung die hiedurch erzielten Ergebnisse darstellen kann». Wie das Militär-, das Post- und das Zollwesen müsse deshalb auch die Statistik zentralisiert werden.

Der Bund konnte dabei auf Vorarbeiten zurückgreifen: Bereits mit dem Bundesratsbeschluss vom 16. Mai 1849 war die Pflege der Statistik zur Bundessache erklärt und dem Eidgenössischen Departement des Innern zugewiesen worden. Der Beschluss wurde 1851 bekräftigt und konkretisiert. Vorerst erstellten der Departementsvorsteher Stefano Franscini und sein Sekretär die Statistiken selber; sie werteten beispielsweise die Volkszählung von 1850 aus. Weitere Arbeiten wie etwa eine Heimatlosenstatistik oder eine Erhebung über die Berufe der eidgenössischen Rekruten konnten nicht wie geplant durchgeführt werden, weil die nötigen Kredite vom Parlament nicht gesprochen wurden.

Nach dem Tod von Bundesrat Franscini, dem «Vater der schweizerischen Statistik», im Jahr 1857 erfolgten im Parlament wiederholt Vorstösse, um die Statistik als eine wichtige Grundlage für Planungen und Entscheidungen in der Schweiz zu institutionalisieren. Nachdem auch die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft eine positive Empfehlung abgeben hatte, schlug die Regierung schliesslich die Errichtung eines statistischen Büros vor. In seiner Botschaft an die Bundesversammlung konstatierte der Bundesrat, die Statistik sei auf eidgenössischer Ebene bisher «stiefmütterlich behandelt» worden. Ein Grossteil der «zivilisierten Staaten» setze seit Jahren erhebliche finanzielle Mittel für eine nationale Statistik ein. Die Schweiz habe mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten.

Mit dem Bundesgesetz vom 21. Januar 1860 stimmte die Bundesversammlung der Schaffung eines «Eidgenössischen Statistischen Büros» zu, welches nun das Sammeln, Zusammenstellen und Veröffentlichen von statistischen Daten zur Aufgabe hatte. Zum ersten Direktor des Büros wählte der Bundesrat am 27. April 1860 Gustav Vogt. Zusammen mit einem Sekretär und einem Kopisten nahm dieser am 1. Juni 1860 seine Arbeit auf. Untergebracht waren die beiden Statistiker vorerst in einem Büro in der Parlamentsbibliothek im Bundesratshaus, dem heutigen Westflügel des Bundeshauses in Bern.

Eine der ersten Tätigkeiten des Büros war die Realisierung der eidgenössischen Volkszählung im Dezember 1860. Doch Vogt wurden neben seiner Arbeit als Statistiker weitere Aufgaben zugeteilt; sein Büro diente auch als Sekretariat des Departements. 1862 wirkte Vogt für mehrere Monate in London als Kommissär für die dortige Weltausstellung. Mit einem Brief aus London reichte er auf Ende September 1862 seinen Rücktritt ein, da ihm «angesichts der geringen Hilfsmittel das Zutrauen in die vom Statistischen Büro zu erfüllende Aufgabe» fehlte. Erst am. 1. Januar 1865 konnte mit Max Wirth aus Frankfurt am Main ein neuer Direktor eingestellt werden. Wirth reichte aber nach Vorwürfen, im Statistischen Amt bestehe ein Missverhältnis zwischen Kosten und Leistung, Ende 1872 seinen Rücktritt ein. Der Theologe und Berner Regierungsrat Johann Jakob Kummer, der das Amt als Nachfolger von Vogt und Wirth bis 1885 führte, führte die bisherige geringe Publikationstätigkeit des Statistischen Amtes auf eine mangelnde finanzielle Unterstützung zurück. Kummer gelang es in der Folge, das Renommee des Amts zu steigern und zu festigen.

Die ausgewählten Dokumente zeigen den Stellenwert, der Mitte des 19. Jahrhunderts nationalen statistischen Untersuchungen, vor allem Bevölkerungsstatistiken, vermehrt auch in der Schweiz zugemessen wurde. Die Dokumente sind frei zugänglich und können in den Lesesälen des Schweizerischen Bundesarchivs eingesehen werden. Die Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung «betreffend die Errichtung eines national-statistischen Büreaus» vom 9. Januar 1860 (BBl I 1860 265–286) und die Bundesratsprotokolle aus dem betreffenden Zeitraum sind auf der Website des Schweizerischen Bundesarchivs (Bundesblatt) einsehbar.

Dokumente / Documents / Documenti

(1) Bericht des Eidgenössischen Departements des Innern an den Schweizerischen Bundesrat, 19. Februar 1849
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

(2) Bericht des Eidgenössischen Departements des Innern an den Schweizerischen Bundesrat, 13. Februar 1850
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

(3) Auszug aus dem Protokoll des Schweizerischen Bundesrats, 8. Januar 1851,
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

(4) Kreisschreiben des Eidgenössischen Departements des Innern an die Kantonsregierungen, 3./14. September 1851
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

(5) Bericht des Eidgenössischen Departements des Innern an den Schweizerischen Bundesrat, 26. August 1859
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

(6) Entwurf über die Organisation der Statistik des Eidgenössischen Departements des Innern an den Schweizerischen Bundesrat, 13. Dezember 1859
in: E 86, 1000/1165, Archiv-Nr. 13, Korrespondenzen und Berichte betr. Errichtung eines eidgenössi-schen statistischen Büros, Bd. 2.

Weiterführende Informationen

https://www.bar.admin.ch/content/bar/de/home/service-publikationen/publikationen/geschichte-aktuell/eroeffnung-des-eidgenoessischen-statistischen-bueros--1--juni-18.html