Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949

„Der Schlussakt des Parlamentarischen Rates in Bonn, dem ich beiwohnte, spielte sich […] in einer feierlichen Atmosphäre ab. Die Spannungen und Krisen der vergangenen neun Monate schienen überwunden. Der Kampf der Geister ruhte. Unter Orgelklängen traten die Ratsmitglieder, Minister- und Landtagspräsidenten, einer nach dem andern an den Tisch, auf dem die Verfassungsurkunde lag, um ihre Namen unter das historische Dokument zu setzen. Es war alles viel bedeutsamer, als wenn es sich nur um ein nüchternes ‚Verwaltungsstatut’ gehandelt hätte.“

Mit diesen Zeilen beschrieb der langjährige Schweizer Konsul und Generalkonsul in Köln, François Rodolphe von Weiss, die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland: die Unterzeichnung des bundesdeutschen Grundgesetzes vom 23. Mai 1949.

Vier Jahre zuvor ging in Europa der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Deutschlands zu Ende. Die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Frankreich und die Sowjetunion teilten das Land in vier Besatzungszonen auf. Versorgungsengpässe sowie wachsende Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion führten zur Zusammenlegung der amerikanischen und britischen Zone per 1. Januar 1947. Ziel der „Bizone“, die mit dem Beitritt der französischen Zone anfangs Juni 1948 zur „Trizone“ wurde, war eine politische Stabilisierung Deutschlands. Die Teilung des Landes in ein West- und ein Ostdeutschland wurde dabei in Kauf genommen. Der Zusammenlegung folgte eine Währungsreform, woran sich mit dem European Recovery Program (ERP, „Marshall-Plan“) ein umfangreiches Wiederaufbau-, Investitions- und Stabilisierungsprogramm anschloss.

An der „Sechsmächte-Konferenz“ in London formulierten die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Frankreich und die Benelux-Länder mit den „Londoner Empfehlungen“ vom 7. Juni 1948 Grundsätze für eine Verfassung eines neuen westdeutschen Staatengebildes. Aufgefordert, bis 1. September eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, liessen die Ministerpräsidenten durch die Landtage Delegierte für einen Parlamentarischen Rat wählen, die ein Grundgesetz auszuarbeiten hatten. Die Bezeichnungen „Parlamentarischer Rat“ und „Grundgesetz“ anstelle von „verfassungsgebende Versammlung“ und „Verfassung“ unterstrichen das Provisorium eines geteilten Deutschlands.

Der von Konrad Adenauer präsidierte Parlamentarische Rat umfasste 65 Abgeordnete. Nach heftigen Debatten um die föderalistische Gestaltung des künftigen Staates verabschiedete der Rat am 8. Mai 1949 das Grundgesetz mit 53 zu 12 Stimmen. Vier Tage darauf wurde es von den Militärgouverneuren gutgeheissen. Nachdem mit Ausnahme Bayerns alle Landtage das Gesetz ratifiziert hatten, trat es am 23. Mai 1949 in Kraft.

In der Folge konstituierten sich Bundesrat und Bundestag; Bundeshauptstadt wurde Bonn. Am 12. September 1949 wählte die Bundesversammlung Theodor Heuss zum Bundespräsidenten und drei Tage darauf wurde Konrad Adenauer vom Bundesrat zum Bundeskanzler gewählt.

Die ausgewählten Dokumente spiegeln die politischen Zustände im Nachkriegsdeutschland aus Sicht schweizerischer Beobachter in den ersten Jahren des Kalten Krieges. Die Dokumente sind frei zugänglich und können in den Lesesälen des Schweizerischen Bundesarchivs auch im Original eingesehen werden.

Dokumente

(1) Schreiben von François de Diesbach, Schweizer Delegierter für die Rückführung von Schweizer Bürgern in Berlin, an das Eidgenössische Politische Departement betreffend Währungsreform, 23. Juni 1948
in: E 2300, 1000/716, Az. p.A.21.31, Berlin, Politische Briefe der Gesandtschaften, 1958, Band 69.

(2) Schreiben von François Rodolphe von Weiss, Schweizer Generalkonsul in Köln, an das Eidgenössische Politische Departement betreffend Grundgesetz, 9. April 1949
in: E 2300, 1000/716, Az. p.21.31, Köln, Politische Berichte der Gesandtschaften, 1949, Bd. 190.

(3) Begleitschreiben von Albert Huber, Schweizer Generalkonsul in Frankfurt am Main, an das Eidgenössische Politische Departement mit den Beilagen: a) Übereinkommen der Besatzungsmächte betreffend die Fusion zur Trizone, b) Text des Besatzungsstatus, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Mai 1949
in: E 2001 (E), 1967/113, Az. B.71.3, Staatsverfassung von Deutschland, 1949-1951, Bd. 506.

(4) Schreiben von François Rodolphe von Weiss an das Eidgenössische Politische Departement betreffend Verkündung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat, 27. Mai 1949
in: E 2001 (E), 1967/113, Az. B.71.3, Staatsverfassung von Deutschland, 1949-1951, Bd. 506.

(5) Schreiben von François Rodolphe von Weiss an das Eidgenössische Politische Departement betreffend Bundeshauptstadt, 13. Juli 1949
in: E 2300, 1000/716, Az. p.21.31, Köln, Politische Berichte der Gesandtschaften, 1949, Bd. 190.

(6) Schreiben von François Rodolphe von Weiss an das Eidgenössische Politische Departement betreffend Bundeshauptstadt, 7. November 1949
in: E 2300, 1000/716, Az. p.21.31, Köln, Politische Berichte der Gesandtschaften, 1949, Bd. 190.

Weiterführende Informationen

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