Walter Otto Stucki (1888–1963): eine aussergewöhnliche Gestalt der Schweizer Geschichte

Wer sich mit der Geschichte der Schweiz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befasst, trifft früher oder später auf Walter Otto Stucki, dessen Todestag sich am 8. Oktober 2013 zum 50. Mal jährt. Die Zeugnisse seiner Tätigkeit sind in verschiedenen Beständen im Schweizerischen Bundesarchiv greifbar und verweisen auf zentrale Momente der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik.

Stucki im Büro in Paris, 1938

Viele einflussreiche Funktionen

Walter Otto Stucki, Jahrgang 1888, ist Advokat. Er tritt 1917 in den Bundesdienst ein, verlässt ihn 1919 und kehrt im Frühjahr 1925 zurück. In der Folge ist er bis zu seiner Pensionierung Ende 1954 Direktor der Handelsabteilung und Delegierter des Bundesrats für den Aussenhandel im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD), Schweizer Vertreter in Frankreich, Chef der Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten im Eidgenössischen Politischen Departement (EPD) und Delegierter des Bundesrates für Spezialmissionen - um nur einige seiner Funktionen zu nennen. Es ist auch diese Fülle von Aufgaben, die den Einfluss von Walter Otto Stucki ausmacht.

Zeichnung von Oscar Lazar

Am bekanntesten wird er nach dem Zweiten Weltkrieg. Er übernimmt eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung der Verhandlungen mit den Alliierten, die das Ziel haben - so die Sicht des Bundesrats am 8. März 1946 - „Eigentum und Verfügungsrecht an den in unserm Lande liegenden oder von hier aus verwalteten deutschen Vermögenswerte" zu klären. Er leitet die entsprechenden Verhandlungen, die zum Washingtoner Abkommen vom 25. Mai 1946 führen, und ist anschliessend auch Präsident der Aufsichtskommission.

Das Abkommen selber umfasst neben dem Text, die Verfahrensregeln und einen vertraulichen Briefwechsel. Die Schweiz verpflichtet sich unter anderem, die „deutschen" Vermögenswerte in der Schweiz zu liquidieren und den Alliierten 50% des Erlöses für den Wiederaufbau zukommen zu lassen sowie mit einer Zahlung von 250 Millionen Franken die sogenannte „Goldfrage" abschliessend zu regeln. Im Gegenzug dazu erklären sich die Alliierten bereit, die Schweizer Vermögen in den Vereinigten Staaten zu deblockieren und die Schweizer Firmen von den Schwarzen Listen zu streichen.

Verhandlungen mit den Alliierten, 1951

Zwei zentrale Bestände

Einen guten Einstieg, um sich über die Tätigkeit von Walter Otto Stucki kundig zu machen, bieten seine Handakten (E2801) im Umfang von ca. 16 Laufmetern. Das gilt insbesondere auch für Informationen zur Aushandlung und Durchführung des Washingtoner Abkommens. Greifbar sind hier Protokolle zu den Verhandlungen, Informationen zu den schweizerischen Kapitalinteressen im Ausland oder zu den Schwarzen Listen. Am meisten Raum nehmen die Dossiers zu Personen, Firmen und Stiftungen ein, die beispielsweise Unterlagen zu einzelnen Liquidationsverfahren der Schweizerischen Verrechnungsstelle enthalten, da Walter Otto Stucki Präsident der Aufsichtskommission zur Überwachung der Durchführung war. Der ganze Bestand ist frei zugänglich und die Dossiers können online recherchiert, bestellt und anschliessend im Lesesaal eingesehen werden.

Einen besonderen Stellenwert hat der private Nachlass von Walter Otto Stucki (J1.131), der nicht nur seine Funktionen in der Bundesverwaltung dokumentiert, sondern auch seine Tätigkeit als Anwalt und freisinniger Nationalrat. Darüber hinaus bietet der Nachlass im Umfang von ca. 2 Laufmetern auch Einblicke in sein privates Leben und enthält eine Fotosammlung. Für die Einsichtnahmein den Privatnachlass ist ein Einsichtsgesuch beim Bundesarchiv notwendig. 

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