„Wird das Schweizer Mittelland zu einer Erdöllandschaft werden? In Küsnacht bei Zürich hat man den Pressevertretern den ersten von einer rein schweizerischen Gesellschaft betriebenen Bohrturm vorgeführt. […] Die Geologen scheinen ihrer Sache sicher zu sein. Irgendwo in weit über 1’000 Metern Tiefe sollte es hier Erdöl geben. Aber jede einzelne Bohrung kostet zwei Millionen Franken. Es braucht finanziellen Wagemut, um diese neue Schatzgräberei zu unternehmen.“
Unter dem Titel „Die Schweiz bohrt nach Erdöl“ berichtete die Schweizer Filmwochenschau im Mai 1960 von der ebenso aufsehenerregenden wie später erfolglosen Erdölbohrung in Küsnacht.
Zwar fanden schon im 19. Jahrhundert vereinzelte Bohrungen auf schweizerischem Gebiet statt, sie lieferten jedoch wie diejenigen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Hinweise auf wirtschaftlich nutzbare Rohstoffvorkommen. Zudem seien sie, so ein geologisches Gutachten aus dem Jahr 1957, technisch mangelhaft ausgeführt worden. Dies mache jetzt „systematisch durchgeführte geologisch-geophysikalische Untersuchungen und Explorationsbohrungen“ nötig.
Entscheidend für die forcierten Prospektions- und Explorationsarbeiten auf Schweizer Boden war zum einen der starke Anstieg des Bedarfs an Erdölerzeugnissen nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum anderen zeitigte die starke Auslandsabhängigkeit eine beunruhigende Wirkung, zumal die grossen Erdölvorkommen in politisch teilweise instabilen Gebieten abgebaut wurden. Zudem reichten ab Anfang der 1950er-Jahre vermehrt ausländische Erdölkonzerne Konzessionsgesuche an eine Reihe von Mittellandskantonen ein.
Die Tiefenbohrung in Küsnacht wurde im Frühsommer 1960 bei 2'692 Metern Tiefe eingestellt, ohne dass Öl- oder Gasindikatoren entdeckt worden waren. Nachdem auch bei weiteren Bohrungen in der Schweiz keine wirtschaftlich interessanten Vorkommen identifiziert werden konnten, wurden 1994 die Swisspetrol Holding AG und neun ihrer zehn Tochtergesellschaften liquidiert. Die SEAG allerdings blieb als Auffanggesellschaft der Swisspetrol bestehen und sicherte die Daten der bisherigen Forschungstätigkeit. Nach Angaben des Bundesrats wurden bis 1994 rund 317 Millionen Franken in Erdöl- und Erdgasexploration investiert, wobei der Bund ab 1983 5,3 Millionen Franken beigesteuert hatte.
Die ausgewählten Dokumente geben einen knappen Überblick über die Erdöl- und Erdgassuche in der Schweiz bis 1960 und zeichnen die erfolglose Debatte um die vorgesehene bundesrechtliche Regelung einer allfälligen „Erdöllandschaft Mittelland“ nach. Der Beitrag der Schweizer Filmwochenschau kann mittels der Datenbank „Memobase“ des Vereins Memoriav recherchiert und im Lesesaal II angeschaut werden.
Dokumente
(1) Gutachten über die geologischen Grundlagen einer schweizerischen Erdölexploration von Prof. Dr. R. F. Rutsch, 17. Mai 1957
in: E 8190 (B), 1981/12, Az. 813.11, Bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und Ausbeutung, Bd. 57.
(2) Kreisschreiben des Vorstehers des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements an die Kantonsregierungen der Schweiz, 11. Februar 1958
in: E 8190 (B), 1981/12, Az. 813.11, Bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und Ausbeutung, Bd. 57.
(3) Protokoll der Sitzung über die Finanzierung der schweizerischen Erdölexploration, 15. Januar 1959
in: E 7001 (C), 1968/72, Az. 8311.01, Swisspetrol Holding AG, Finanzierung der Erdölforschung, Bd. 285.
(4) Zusammenfassende Übersicht über die Vernehmlassung der Kantone und Verbände zum Kreisschreiben des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 11. Februar 1958 betreffend eine bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und -ausbeutung
in: E 8190 (B), 1981/12, Az. 813.11, Bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und Ausbeutung, Bd. 57.
(5) Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Schweizerischen Bundesrats betreffend bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und -ausbeutung
in: E 8190 (B), 1981/12, Az. 813.11, Bundesrechtliche Ordnung der Erdölschürfung und Ausbeutung, Bd. 57.
Weiterführende Informationen
