Quelle: Tagesschau vom 3.5.1981, in: "Freedom and Sunshine for Giorgio Bellini", Archivperlen vom 10.03.2010, www.srf.ch.
Nach dem erneuten Skandal am Schweizer Fernsehen setzt der pensionierte Lehrer aus Sins einen Brief an Bundesrat Willi Ritschard auf, damit dieser endlich etwas unternehme und dem bunten Treiben an der Mattscheibe ein Ende setze. Eigentlich ist der Vorsteher des Finanzdepartements der falsche Adressat, aber der Sozialdemokrat geniesst offenbar das Vertrauen des aufgebrachten Bürgers.
Seit dem Frühling 1980 ist die Schweiz in Aufruhr. Die achtziger Bewegung erschüttert Basel, Bern, Lausanne, Zürich und andere Städte. Demonstrierende Jugendliche fordern selbstverwaltete Freiräume - so genannte autonome Jugendzentren - und liefern sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anders als die theoretisch orientierten Achtundsechziger, welche die klassenlose Gesellschaft anstrebten, zelebrieren die Achtziger den anarchisch-theatralischen Auftritt. Dem wohlmeinend-vernünftigen Dialog verweigern sie sich.
Mit dieser radikalen Haltung wird die breite Öffentlichkeit am Fernsehen konfrontiert. Am 2. Juli 1980 provozieren vermummte Studiogäste den Abbruch einer Diskussionssendung zu den Krawallen, am 15. Juli - am Tag, bevor der Sinser Lehrer dem Bundesrat schreibt - parodieren zwei Vertreter der Protestbewegung, die sich als Herr und Frau Müller ausgeben, die Geisteshaltung des konservativen Bürgertums. Am 3. Mai 1981 sollte es zwei Vermummten sogar gelingen, ins Studio der Tagesschau einzudringen und dem verdutzten Moderator ein Plakat unter die Nase zu halten, das die Freilassung eines Inhaftierten forderte. Seither ist die mehr denn je geölte Fernsehmaschinerie nie mehr derart herausgefordert worden.
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