Internationale Gotthardkonferenz, 24. März – 20. April 1909

„La Suisse n’a pas le droit de racheter la ligne du St-Gothard sans le consentement préalable de l’Allemagne et de l’Italie, et […] ces deux derniers Etats peuvent faire dépendre leur adhésion au rachat de l’accomplissement de certaines conditions à remplir par la Suisse.“ Mit diesen unmissverständlichen Worten wandten sich Deutschland und Italien am 11. Februar 1909 an den Bundesrat. Um was ging es?

Nachdem sich die Schweizer Stimmbürger am 20. Februar 1898 mit 386'634 zu 182'718 Stimmen entschieden hatten, die Eidgenossenschaft zur Eigentümerin der Haupteisenbahnen zu machen, wurden zwischen 1902 und 1903 die Jura-Simplonbahn, die Centralbahn, die Nordostbahn und die Schweizerbahnen sowie 1909 die Gotthardbahn verstaatlicht. Allerdings waren die Verhandlungen nicht einfach: Die Bahnen waren in einem schlechten Zustand, da die privaten Gesellschaften in Erwartung der Verstaatlichung auf Investitionen verzichtet hatten. Dazu kamen ein überdimensioniertes Eisenbahnnetz und komplexe Organisationsstrukturen.

Besonders schwierig gestalteten sich die Verhandlungen um die Gotthardbahn. Neben Auseinandersetzungen mit der organisierten Beamtenschaft und den Aktionären der Gotthardbahn galt es auch, den Interessen von Deutschland und Italien als Subventionsstaaten Rechnung zu tragen. Diese hatten – wie bereits eingangs erwähnt – erklärt, dass die Schweiz nicht das Recht habe, ohne ihre Zustimmung die Gotthardbahn zurückzukaufen. Der Bundesrat lehnte zwar einen solchen Anspruch ab. Er anerkannte jedoch, dass Deutschland und Italien aufgrund der bestehenden Verträge Rechte hätten und erklärte sich bereit, in Verhandlungen zu treten.

Zu Beginn der Verhandlungen präsentierten Minister von Bülow, Leiter der deutschen Delegation, und Minister Cusani, Leiter der italienischen Delegation, elf Forderungen, u. a. nach angemessener Berücksichtigung der deutschen und italienischen Industrie bei Materialanschaffungen, nach Tarifreduktionen im Transitverkehr und nach einer Senkung der Bergzuschlagstaxen. Bei letzteren verlangten die Subventionsstaaten eine Reduktion von 65%. Es folgten zähe Auseinandersetzungen, in denen um jedes Detail gerungen wurde. Bei der für die Verhandlungen zentralen Frage der Bergzuschlagstaxen einigte man sich am letzten Verhandlungstag auf eine Reduktion um 35% per 1910 und eine weitere Senkung auf 50% ab 1920. Das ursprüngliche Angebot der Schweiz lag bei 30%.

Nach 17 Plenarsitzungen kam am 20. April eine Einigung zustande, die im Staatsvertrag zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien vom 13. Oktober 1909 und im Übereinkommen zwischen der Schweiz und Italien vom 20. April 1909 festgehalten wurde. Darin verpflichtete sich die Schweiz, die Gotthardachse auch in Kriegszeiten offen zu halten. Gleichzeitig war mit der Einigung der Weg frei für die Rückkaufvereinbarung vom 30. April 1909 zwischen der Eidgenossenschaft und der Gotthardbahn-Gesellschaft.

Dokumente

(1) Schreiben von Freiherr von Schoen an den Kaiserlichen Gesandten von Bülow, 13. März 1909
in: E 53, Dossier 573, Band 152.

(2) Convention Principale du St-Gothard entre l'Allemagne, L'Italie et la Suisse et Accord Italo-Suisse, Projet du 20 avril 1909.
in: E 53, Dossier 573, Band 152.

(3) Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Schweizerischen Bundesrates, 30. April 1909
in: E 53, Dossier 575, Band 152.

(4) Die neuen Gotthardverträge, [1909]
in: E 53, Dossier 578, Band 152.

Weiterführende Informationen

https://www.bar.admin.ch/content/bar/de/home/service-publikationen/publikationen/geschichte-aktuell/internationale-gotthardkonferenz--24--maerz--20--april-1909.html